Frühjahrs-Check, Urlaubs-Check, Klimaanlagen-Check — Hersteller und Händler bombardieren Kunden mit„Reinholer-Kampagnen“. Das Ziel: mehr Werkstattauslastung und engere Kundenbindung. Empfehlenswert ist dagegen die Professionalisierung des Räder- und Reifengeschäfts.
Kurzfassung
nflationärer Gebrauch von Service-Check-Aktionen ist kontraproduktiv, findet Autor Michael Ruppert. Dagegen schätzen viele Autohalter den regelmäßigen Austausch zum traditionsreichen Reifenwechsel-Termin — immerhin zweimal pro Jahr.
Die Liste an mehr oder weniger kreativen Slogans für oftmals extrem kostenintensive, saisonale Servicekampagnen ist lang – ebenso die Produkte und Dienstleistungen, die im Rahmen einer solchen Kampagne angeboten werden: „Sicher durch den Winter“, „Fit in den Frühling“, „Sorglos in den Urlaub“ etc. – neben dem eigentlichen Check, der in der Regel als „Lockvogel-Angebot“ dient, bekommt der Kunde je nach Saison passendes Zubehör sowie Werkstattleistungen angeboten. Alle Bemühungen dienen einzig dem Ziel, Kunden zu binden. Mit dem Ergebnis einer besseren Werkstattauslastung. Denn diese ist laut dem aktuellen puls-Schlag im vergangenen Jahr um weitere zwei bis drei Prozentpunkte gesunken. Der umgarnte Kunde soll erst gar nicht auf die Idee kommen, in eine freie Werkstatt und/oder eine Fast-Fitter-Kette zu fahren, um dort sein Werkstattglück zu suchen.
Ist der Weg wirklich das Ziel?
Keine Frage: Marketing für den Aftersales-Bereich ist wichtiger denn je. Gerade in Zeiten, in denen die Profitabilität des Autohaus-Ertragsbringers Nummer 1 schwindet. Das, was schon lange überfällig war, tritt nun endlich ein: Aftersales wird zur Chefsache. Rückblick: Vor gut 20 bis 30 Jahren fand ein erstes, leichtes Umdenken statt, was Werbung für den Servicebereich im Handel betrifft. So „erfand“ man seinerzeit die saisonalen Service-Check-Kampagnen – mit schönen „bunten Bildchen“. Und da scheinbar niemand den monetären Erfolg dieser Maßnahmen hinterfragt hat und diese scheinbar bei den Kunden so beliebt und für den Handel vermeintlich so erfolgreich sind, gibt es sie bis heute. Und die ATUs dieser Welt machen auch gleich mit.
Kunden verunsichern statt binden
Nun haben sich aber die Servicelandschaft und das Verbraucherverhalten in den letzten 30 Jahren so starkverändert, dass man sich die Frage gefallen lassen muss: Ergibt das denn alles so noch Sinn? Ist der Service-Check tatsächlich das Allheilmittel für mehr Kundenbindung?
Betrachten wir das Ganze doch einmal aus Kundensicht: Herr Müller hatte im Januar das eigene Fahrzeug zur Inspektion in seiner Vertragswerkstatt. Aus Sicht von Herrn Müller wurde sein Fahrzeug logischerweise im Rahmen der Inspektion komplett gecheckt – dafür hat er ja auch einen stolzen Preis bezahlt. Nun bekommt er plötzlich Anfang März Post von seinem Händler, mit dem Angebot, doch nun sein Fahrzeug unbedingt einem Frühjahrs-Check unterziehen zu lassen – schließlich hat der Winter ja Spuren an dem Auto hinterlassen. Zwei Monate später bekommt er wieder Post mit dem Hinweis, einen Klimaanlagen-Check durchführen zu lassen, sechs Wochen später das Angebot für einen Urlaubs-Check. Und so geht das weiter. Was glauben Sie, welche Gefühle bei dem Kunden dadurch geweckt werden? Vertrauen? Sicherheit? Zuverlässigkeit? Oder doch eher das Gefühl der Verunsicherung, des fehlenden Vertrauens („ich hab doch meinen Wagen erst bei denen gehabt …“), vielleicht auch das Gefühl der Abzocke („jetzt wollen die mir schon wieder was verkaufen“)? Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.
„Service-Checks haben als DAS Reinholer-Element ausgedient. Im Gegensatz zu strategischem Aftersales-Marketing.“
Michael Ruppert, Managing Partner bei Snook
Keine Kampagne ist keine Lösung
Natürlich ist eine Service-Check-Kampagne weder ein Allheilmittel, noch sollte diese Art von Aftersales-Marketing verteufelt werden. Schließlich habe ich selbst eine Menge solcher Kampagnen in den letzten 25 Jahren entwickelt. ABER: Schaut man sich den Return an Investment (RoI, zu Deutsch: Kapitalrendite) solcher Kampagnen an, bekommt man Tränen in die Augen. Hersteller und Importeure investieren hohe sechsstellige Summen in nationale „Service-Check-Kampagnen“. Sie sind guter Hoffnung, über diesen Service-Check genug Kunden in die Werkstatt zu locken. Dort attestiert man denen dann, dass das Fahrzeug dringend einer Reparatur unterzogen werden muss. Und vielleicht springt der Kunde auch auf das eine oder andere Zubehör-Angebot an. Doch allein das Thema „erfolgreiches Zubehör Marketing“ ist einen separaten Artikel wert. Werfen wir einen Blick auf die nackten Tatsachen – nämlich Zahlen. Laut aktuellem DAT-Report fährt der deutsche Durchschnittsfahrer gerade mal 14.170 Kilometer pro Jahr und kommt weniger als einmal jährlich in die Werkstatt (der DAT-Wert beläuft sich aktuell auf 0,83 bei Wartung bzw. 0,55 bei Reparaturen – bei einer Rate von 1,0 erscheinen die Kunden ein-mal im Jahr). Tendenz sinkend. Dieser Tatsache setzen OEM und Handel dann ein wahres Bombardement an Fahrzeug-Checks als „Traffic-Generator“ entgegen: mindestens drei saisonale Service-Checks, plus Bremsen-Check, Batterie-Check, Stoßdämpfer-Check, Klimaanlagen-Check. Kunden stellen sich dann doch -zu Recht – irgendwann die Frage: Bauen die denn tatsächlich so schlechte Autos, dass ich alle Nase lang in die Werkstatt muss? Wer glaubt, ein Service-Check wird langfristig und nachhaltig etwas am Konumverhalten der Autofahrer ändern, der irrt. Vermutlich wird eher das Gegenteil der Fall sein.
Das beste Kundenbindungstool
Der Kunde nimmt die teure Service-Check-Werbung gar nicht mehr wahr. Schlimmer noch: er wird sie ignorieren und sich vielleicht sogar von seinem Händler abwenden. Aus diesem Grund hat der „Service-Check“ als DAS Reinholer-Element ausgedient – nicht jedoch die saisonale Kampagne per se. Und auf gar keinen Fall die Fokussierung auf strategisches Aftersales-Marketing. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Spezialisten für Aftersales-Marketing machen sich Jahr für Jahr Gedanken, mit welcher Art von Check man den Kunden öfter in die Werkstatt „locken“ kann. Obgleich man weiß, dass ein Durchschnittskunde weniger als einmal pro Jahr in die Werkstatt kommt. Und wäre der DAT-Report Pflichtlektüre, wüssten die Verantwortlichen, dass rund 80 Prozent der Kunden ihrer Werkstatt sowieso die Treue halten. Warum dann diese inflationäre Service-Check Hysterie? Warum handelt man nicht Kennzahlen-orientiert? Dann nämlich wäre Aftersales schon seit Jahren Chefsache! Wenn es um Werkstattauslastung und Kundenbindung geht, muss man nichts neu erfinden, sondern das Vorhandene besser nutzen –in Form des Produkts Räder und Reifen! Denn der Räderwechsel ist das einzige Tool, das den Kunden garantiert zweimal pro Jahr und freiwillig in die Werkstatt bringt. Professionelles Räder- und Reifenmarketing, integriert in saisonale Kampagnen oder in eine ganzheitliche Kundendienst-Marketingstrategie: Mehr braucht es nicht. Einige Hersteller haben dies bereits erkannt und ihre saisonalen Servicekampagnen darauf ausgerichtet. Mit Erfolg, wie das Beispiel der Kia Motors Deutschland GmbH zeigt: Hier steht bei den saisonalen Aktionen nicht der Service-Check, son-dem der Räderwechsel im Fokus. Aber auch andere Aftersales-Profis auf OEM-Seite sehen das ähnlich, wie zum Beispiel Dagleef Seeck, Director Parts und Services bei der Fiat Chrysler Automobiles Germany AG: „Die saisonalen Service-Checks mit einer breiten Streuung haben leider immer wieder gezeigt, dass der Aufwand den Nutzen letztendlich nicht rechtfertigt. Zumal die Werkstatt im Herbst und Frühjahr sowieso gut besucht ist, und zwar durch das Reifen-/Räderwechselgeschäft. Diese Fakten sind selbstredend und zeigen auf, dass ein professionell organisiertes Reifen-/Rädergeschäft wesentlich effektiver ist als viele der anderen Servicemarketing-Aktionen, die es auf dem Markt gibt.“ Erstens: Wenn noch nicht geschehen, machen Sie Servicemarketing zur Chefsache! Zweitens: Professionalisieren Sie Ihr Räder- und Reifengeschäft! Veranstalten Sie aber keine internen :,Wer wechselt die meisten Räder“-Wettbewerbe. Denn es geht nicht darum, in Akkordarbeit zu wechseln. Wichtiger ist vielmehr, Räder und Reifen als ganzheitliches Marketinginstrument zu verstehen, verständliche Prozesse zu etablieren, die zu nachhaltig mehr Umsatz und Kundenbindung führen. Der „Reinholer“ der Zukunft ist der Reifen und nicht der Check für null Euro! Räder/Reifen sind DAS Kundenbindungstool – wenn richtig gehandhabt. Am besten gleich damit anfangen.
Michael Ruppert
Michael Ruppert ist Gründer und CEO der Agentur SNOOK Frankfurt. Er war und ist beratend u. a. für Audi, Porsche, Opel, Kia, Fiat, Alfa, Jeep, Chrysler sowie Allianz Global Automotive tätig.
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Michael Ruppert,
Founder & Managing Partner
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